· 

Schmerzsyndrome bei Pfyfferinnen und Pfyffer während der Basler Fasnacht

 Dass Flötistinnen und Flötisten aufgrund ihres Berufes oder Hobbies unter Schmerzen leiden, ist allgemein bekannt und wird in der Literatur seit Jahrzehnten beschrieben (Lonsdale K. et al. (2014)). Pfyfferinnen und Pfyffer, also jene, die während der Basler Fasnacht das (Fasnachts-)Piccolo spielen, können sicher zu dieser Musikergruppe dazugezählt werden. Dennoch gibt es Unterschiede. Musikerinnen und Musiker werden von Profis unterrichtet, erfahren aber in Ihren Lektionen und in Übungsbüchern wenig darüber, wie Schmerzzustände zu vermeiden sind und wie wichtig Haltung, Rumpfstabilität und Ergonomie sein können (Lonsdale K. & Laakso L. (2014)).

 

In der Basler Fasnachtsszene ist dies nicht anders. Das Piccolospiel wird in der Regel von Cliquen-Instruktorinnen und Instruktoren vermittelt. Dies sind meistens Amateure, welche einem ganz anderen Beruf nachgehen, es aber im Sinne des Vereinsleben wichtig finden, ihren Beitrag zu leisten, indem sie die Übungslektionen leiten und ihre Erfahrungen und ihr Wissen innerhalb der Clique weitergeben.

 

Die wichtigsten Schmerzzustände

Die meisten Beschwerden bei Flötisten treten im Nacken, Schultergürtel und Brustwirbelsäule auf (Norris (1996) in Lonsdale K. & Laakso L. (2014)). Weitere Beschwerden treten in Fingern, Handgelenke und Schultergelenke auf. Bei Pfyfferinnen und Pfyffer sind Beschwerden an denselben Körperteilen zuzuordnen. Es handelt sich vor allem um myofasziale Schmerzsyndrome, ausgelöst durch aktivierte Triggerpunkte, muskuläre Verspannungen oder  Dysbalancen und Nervenentrapments. Ferner gesellen sich Sehnenscheidenentzündungen oder Gelenksblockaden dazu. Ältere Fasnächtler klagen zudem über Arthrosebeschwerden. Während Musiker sehr regelmässig üben und konzertant auftreten, meistens stehen während des Auftritts, ruht das Piccolo bei vielen Fasnächtler über die Sommermonate. Wochen vor der Fasnacht, spätestens mit dem Einsetzen der vorfasnächtlichen Veranstaltungen, wird das Piccolospielen intensiviert und findet den Höhepunkt während der Fasnacht, an der während 3 Tagen fast nonstop durch die Gassen schreitend gepfiffen wird.

 

Besonderheiten

In dieser hochintensiven Fasnachtszeit kommt dazu, dass es oft kalt draussen ist. Die Finger können trotz Handgelenkswärmer und fingerkuppenlosen Handschuhen kaum vor Kälte und Nässe geschützt werden. Erschwerend kann auch ein besonderes Kostüm sein, welches besonders gestaltet ist (z.B. ein Brett am Rücken, um einen langen Vogelhals daran montieren zu können), aber kaum funktionelle Aspekte des Piccolopfeifens berücksichtigt. Meistens sind Kostüme weder besonders warm, noch regen- oder schneefest. Andere tragen besondere Schuhe oder gehen gar auf Stelzen. Der Kopf steckt in einer Larve, welche rund um Mund und Kinn ausgeschnitten ist. Das Sichtfeld ist oft stark eingeschränkt. Je nach Larve kann das eigene Pfeifen einen beträchtlichen Hall provozieren. Viele Fasnächtler pfeifen denn auch mit Hörschutz.

 

Aufwändige Larven und individueller Fingerschutz 

Dank Schrittzähler und GPS im Handy ist leicht zu überprüfen, dass an einem Fasnachtstag 20 Kilometer und mehr pfeifend zurückgelegt werden. Die etwas einseitige Verpflegungs- und Trinkverhalten an diesen 3 schönsten Tagen erschweren vielleicht diese hochintensive Belastung von Pfyffern (und auch Trommlern).

 


Das Hauptaugenmerk liegt in der Prävention

In den Übungsstunden sollte vermehrt auf korrekte Haltung (stehend!) und Griffanlage am Piccolo geachtet werden:

 

20 Kilometer pro Tag - Ein gewisser Fitnesslevel ist von Vorteil

Durch die langen Gehstrecken, die Kälte und die erwähnten Besonderheiten wie Kostüm und Larve ist die physische Beanspruchung während der Fasnacht gross, die Erholungszeit sehr kurz. Das allgemeine Grundlagentraining in Ausdauer (20 km müssen gehend zurückgelegt werden können) und Kraft, vor allem Rumpfstabilität, kann leicht in den Frühlings- und Sommermonaten trainiert werden. Die lokale Kraftausdauer in Schultergürtel und Armen wird in den Übungslektionen spezifisch trainiert.

Im Winter vor der Fasnacht werden oft Marschübungen durchgeführt: Es wird in Formation laufend gepfiffen, aber noch ohne Kostüm und Larve. Es ist sozusagen das vielseitig-zielgerichtete Pfyffer-Training. Auch das Pfeifen unter Vorermüdung oder nach Alkoholeinnahme wird unter dem Jahr trainiert...

 

Einige Fasnächtler haben einen Notfalltermin bei einer Physiotherapeutin zur symptomatischen Behandlung ihrer Muskulatur und Gelenke auf sicher. Myofasziale Techniken wie Massage, Triggerpunktbehandlungen, Dehnungen und Mobilisation von Gelenken und Nerven sind sehr hilfreich und werden durch passive Anwendungen (Elektrotherapie und Wärme) ergänzt. Andere greifen aus Zeitmangel und Bequemlichkeit zur Schmerztablette. Doch bei den meisten Fasnächtlern wirken Freude, Euphorie und Begeisterung während der Fasnacht am besten gegen Schmerzen.

 

 

Jan-Arie Overberg

Fachlicher Beirat der SART

Cand MSc Sportphysiotherapie und begeisterter Pfyffer im Dupf-Club Basel


Literatur

  • Lonsdale K. et al. (2014); Contributing Factors, Prevention, and Management of Playing-Related Musculoskeletal Disorders Among Flute Players Internationally, Medical Problems of Performing Artists, Vol. 29, Nr. 3 (155)
  • Lonsdale K. & Laakso L. (2014); Preventing Flute Playing-related Musculoskeletal Disorders: Applying Ergonomic Principles in Individual and Ensemble Settings, Malaysian Music Journal Vol. 3, Nr. 1 (67-81)