Wo hat die Anwendung des Thera-Bandes als Trainingsmittel seinen Nutzen innerhalb des rehabilitativen (Kraftaufbau-)Trainings? Tipps aus der Praxis für die Praxis von Urs Geiger.
Im Kraft-Rehabilitations-System (KRS) sind die progressiv aufgebauten Belastungsstufen - von der extensiven Kraftausdauer bis hin zur intensiven Rekrutierung (III) - nach quantitativen Kriterien definiert. Die entsprechenden quantitativen Trainingsparameter wie Reizdauer, Reizdichte und Trainingsumfang (work load) sind dabei direkt oder indirekt von der Reizintensität abhängig. Mit freien Gewichten oder Steckgewichten an Widerstandsgeräten lässt sich die Belastungsintensität bekanntlich mit der gewünschten Genauigkeit vorgeben. An diesem Punkt der Quantifizierung soll nachfolgend die im Titel gestellt Frage besprochen werden.
Tab. 1: Auflistung der trainingsrelevanten Vor- und Nachteile des Thera-Bandes (nicht abschliessend)
Konklusion
Weil mit dem Thera-Band ein Training der Maximalkraft nach den bekannten Belastungsnormativen nicht in der geforderten Organisationsform durchgeführt werden kann, ist die Zielstellung primär auf Funktionelle Trainingsschwerpunkte zu richten. Diese stehen bekanntlich im Kontext von Statik und Dynamik, also im ökonomischen Zusammenspiel von Stütz- und Zielsensomotorik.
Im Folgenden sind exemplarisch einige klinisch relevante Teilaspekte einer uneingeschränkten Funktion des Bewegungsapparates aufgeführt, die gleichzeitig auch eine primäre Indikation für ein spezifisches Training mit dem Thera-Band darstellen.
Indikationen für den funktionsspezifischen Einsatz des Thera-Bandes:
- stabiler Stand (korrekte Belastung der Beinachsen)
- vollständige Hüftstreckung (Funktion der pelvitrochanteren Muskulatur)
- abduktorische Verankerung des Beckens auf dem Standbein (posturale Funktion)
- potentielle Beweglichkeit des Beckens u.a. um die coxofemorale Achse (Aufnahme und partielle Weiterleitung peripherer Bewegungsimpulse)
- suffiziente lumbosakrale Verankerung (aktive Stabilisation der physiologischen Stellung/Haltung)
- symmetrische und freie Rumpfrotation (Rotationsniveau „Brustwirbelsäule“)
- Streckfähigkeit der Brustwirbelsäule (posturale Funktion für Haltung und Atmung)
- Harmonische und ausreichende Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Bewegungskomponenten (inkl. Kopfgelenke → Gleichgewicht, Orientierung)
- Zeitlich-räumliche Koordination zwischen glenohumeralem und skapulothorakalem Rhythmus u.a.m.
Unter diesen funktionellen Gesichtspunkten steht differentielles (motorisches) Lernen im Vordergrund. Dazu werden die in der Tabelle 1 aufgeführten Anwendungsvorteile des Thera-Bandes problemspezifisch genutzt. Um die gewünschte neuronale Programmierung zu unterstützen, können folgende Variationsprinzipien eingesetzt werden:
1. Variation in den Bewegungssegmenten
- Winkelstellungen
- Winkelgeschwindigkeiten
- Winkelbeschleunigungen
2. Variation im Bereich Sinneswahrnehmung
- optisch
- akustisch
- stato-dynamisch
- taktil-haptisch
3. Variation der Rahmenbedingungen
- verschiedenen Unterlagen
- äussere Widerstände
- Regeln
4. Fixierung und Nutzung überflüssiger Freiheitsgrad
- wenige – mehrere – viele
- zentral (Grobtuning)
- peripher (Feintuning)
Weil - wie eingangs erwähnt - die Belastungsintensität eine schlecht zu quantifizierende Variable beim Thera-Band bleibt, stehen folgende qualitativen Belastungsnormative im Vordergrund:
- Arbeiten im Bereich der maximalen Leistung (physikal. Arbeit pro Zeit), näherungsweise mit einer Last von 45-60% des 1RM und einem Bewegungstempo von 30-50% der maximalen Geschwindigkeit.
- Arbeitsradius (ROM) so weit verkleinern, dass primär im funktionell bzw. strukturell betroffenen Bewegungsbereich trainiert wird (RUT: ROM under tension)
- Je kleiner der Bewegungsausschlag, desto genauer kann die Belastungsintensität abgeschätzt werden (vgl. Borg-Skala oder näherungsweise über repetition max.)
- Je langsamer die Bewegungsgeschwindigkeit, desto aussagekräftiger ist die Belastungsdauer betreffend energetischer bzw. neuromuskulärer Beanspruchung (TUT: time under tension).
- In einem langsamen bis mittleren Bewegungstempo sind Arthrozeption (verarbeitbarer Afferenzstrom) und Reafferenz (feedforward) am wirksamsten.
Das Beispiel einer Profi-Tennisspielerin zeigt eine typische Anwendung des Thera-Bandes, eingesetzt im präventiven Ausgleichstraining; die stato-dynamische Übungsanordnung verdeutlicht die gewünschte Komplexität zur Schulung motorisch-koordinativer skills, wie sie für Tennisspielen gefordert werden.
Auf allen Bewegungsniveaus des Körpers können die folgenden funktionsbezogenen Zielstellungen weiter differenziert und variiert werden:
- stabiler Einbeinstand (korrekte Belastung der Beinachsen) → Gleichgewichtsfähigkeit
- Beckenstellung (Funktion der pelvitrochanteren Muskulatur)
- abduktorische Verankerung des Beckens auf dem Standbein (posturale Funktion)
- potentielle Beweglichkeit des Beckens u.a. um die coxofemorale und frontosagittale Achse (Aufnahme und selektive Weiterleitung peripherer Bewegungsimpulse; hier von den Armen über den Oberkörper auf das Becken → pre activation des transversospinalen Systems und des m.transversus abdominis).
- suffiziente lumbosakrale Verankerung (aktive Stabilisation der physiologischen Stellung/Haltung primär über ventrale und dorsale myofasziale Zuglinien)
- Streckfähigkeit der Brustwirbelsäule (dynamische Stabilisation in Extension: posturale Funktion für Haltung und Atmung)
- zeitlich-räumliche Koordination: arthromuskuläre Rhythmen glenohumeral und skapulothorakal.
- exzentrische Kontrolle der AR in Hochrotation der Schultergelenke
- Vergrösserung der aussenrotatorischen Beweglichkeit (neuromuskuläre Technik II)
- Simulierte Schlagbewegung als langsamer DVZ induziert (Variante: reaktiv auf plötzlichen passiven Zug von hinten am Thera-Band)
- Schulung der Bewegungskoordination über arhythmische Tempi der Armbewegungen
Zusammenfassung
Am genannten Beispiel wird exemplarisch gezeigt, in welchen Zielbereichen das Thera-Band als Trainingsmittel eingesetzt werden kann. Ein wichtiges Trainingsprinzip ist bekanntlich das Prinzip der Übungsvariation. Schon mit kleinen Änderungen bezüglich Bewegungstempi, Bewegungsrichtung, Asymmetrie (imbalance), koordinativer Anforderung an Gleichgewicht, Orientierung, Differenzierung, Kopplung und/oder Reaktion, kann eine vorzeitige neuromuskuläre Anpassung vermieden werden. Der Schwierigkeitsgrad der Übungsanordnung kann dabei situativ, progressiv oder degressiv, z.B. auch über multitasking-Aufgaben variiert werden. Gleichzeitig kann der Trainingsschwerpunkt bedarfsweise mehr auf statische, stato-dynamische oder plyometrische Bewegungsaufgaben gelegt werden.
Urs Geiger, Physiotherapeut
Physiotherapie GYM medico GmbH