Arbeiten bei Ihnen in der Praxis Mitarbeitende der Spezies Y? Dann werden Sie nach diesem Text Ihre Mitarbeitenden besser verstehen. Gehören Sie selbst zur Generation Y, dann geben Sie diesen Text Ihrer Chefin für eine gute zukünftige Zusammenarbeit. Denn eine Studie über generationenübergreifende Zusammenarbeit von Ärzten in Schweizer Spitälern hat gezeigt, dass sich viele Konflikte zwischen den Generationen mit offener Kommunikation lösen lassen[1]. Von Dr. Sabina Heuss
Viel wurde geforscht und noch viel mehr gelästert über die Generation Y. Nicht nur von Angehörigen älterer Generationen, sondern auch aus den eigenen Reihen wird auf sie geschossen. Egotaktisch und süchtig nach Anerkennung sei sie. Opportunistisch und visionslos, unideologisch, traurige Streber, angepasst, wirtschaftshörig und charakterlos sind nur einige der Stereotype.
Generation Y: Nur Einhörner und Händchenhalten?
Das Y im Begriff Generation Y ist nicht nur der zeitlich logische Nachfolger der Generation X. Englisch ausgesprochen bezeichnet das «Why» die Grundhaltung einer Generation. Das ständige Hinterfragen und Infragestellen ist eine der Grundhaltungen dieser Generation. Sie leistet keinen Dienst nach Vorschrift, sondern will genau wissen, warum sie etwas tun muss. Dies hat Auswirkungen auf das Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Verhältnis, denn auch Autoritäten werden hinterfragt. Vorgesetzte verdienen nicht qua Funktion den Respekt, sondern müssen ihn sich zuerst durch gute Führungskompetenz und inhaltliches Knowhow erwerben. Ausserdem ist ihr das ständige Feedback wichtig. Ein jährliches Mitarbeitergespräch reicht da nicht aus. Diese Generation verlangt, dass die Chefin ihr immer wieder zeigt, dass sie sie als Person wahrnimmt.
Die Generation Y ist es gewohnt, die Wahl bei Kleidern, Reisen und Arbeitgebern zu haben. Dafür mussten sie normalerweise weniger hart arbeiten als frühere Generationen. Sie haben mehr Geld und Freizeit zur Verfügung und erwarten auch von ihrer Arbeit ein gutes Mass an Sinnhaftigkeit, Wahlmöglichkeiten und Spass.
Diese Generation ist, im Gegensatz zu den «Digital Immigrants», die erste Generation, die bereits mit Kommunikationstechnologien wie Internet und Computer aufgewachsen ist, «Digital Natives» eben. Ständige Vernetzung gehört für diese Generation zum Alltag, so wie sie technische Devices als Verlängerung ihres Körpers wahrnehmen. Mit ihren mobile devices tragen sie ständig einen Supercomputer mit sich herum und können praktisch alle Informationen der Welt in Sekundenschnelle abrufen. Dies führt zu einer allgemein direkteren Kommunikation von ihrer Seite. Mit ihren Ansprüchen halten die «Digital Natives» nicht hinter dem Berg, sondern lassen ihr Umfeld und auch ihre Vorgesetzten rasch wissen, was sie verbessern möchten, wo sie unzufrieden sind und welche Ambitionen sie in Bezug auf ihre Karriere haben. Auf der anderen Seite erwarten sie auch ausführliche Informationen und möchten umfassend über ihre Karriereoptionen und Laufbahnplanung informiert werden.
Erkennen Sie sich oder Ihre Mitarbeitenden wieder?
Erkenntnisse aus einer kleinen Studie mit Assistenzärzten und Chefärzten in Schweizer Spitälern haben gezeigt, dass diese Forderungen der Generation Y (heutige Assistenzärzte) zu Konflikten mit älteren Generationen führen. Die gewonnenen Erkenntnisse können mit Vorbehalten auch auf andere Berufe angewendet werden. Von den Chefärzten wird die Generation Y als eine Generation beschrieben, die mehr fordert als ihre Vorgänger im Spital. Dazu gehört mehr Betreuung, mehr Aufmerksamkeit und mehr Feedback. Sie ist bedacht darauf, ihre eigenen Ressourcen gut einzusetzen und schaut auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Dabei (oder deshalb?) will sie weniger Verantwortung übernehmen.
Wie gelingt generationenübergreifende Führung?
Die Studie, die aus einer Literaturreview und Tiefeninterviews mit Vertretern von zwei Generationen in Schweizer Spitälern bestand, hat gezeigt, dass mangelnde Kommunikation eines der grössten Konfliktpotentiale zwischen den Generationen darstellt. Lösen können Sie dies als Vorgesetzter und Vorgesetzte, indem Sie Kommunikationskanäle und Austauschmöglichkeiten schaffen. Die Wertschätzung und Anerkennung von geleisteter Arbeit, die transparente Kommunikation, die hierarchieübergreifende Kollaboration und regelmässiges Feedback sind die kommunikativen Werkzeuge, die Sie beherrschen und jederzeit zur Hand haben müssen. (Führungs-)Kommunikation sollte ein wesentlicher Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in Ihrem Betrieb sein. Schaffen Sie Möglichkeiten, wie Sie mit Ihrem Team an Ihren Kommunikationsfähigkeiten arbeiten können und beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden aktiv in Ihre Entscheidungen mit ein. So überwinden Sie die Klischees der Generationen, schaffen ein offenes, transparentes Arbeitsklima und werden mit interessierten und engagierten Mitarbeitenden belohnt.
Dr. Sabina Heuss lehrt und forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz im Institute for Competitiveness and Communication zu den Themen Kommunikation im Gesundheitswesen, Robotik und künstliche Intelligenz.
Dr. Sabina Heuss
Dozentin für Kommunikation FHNW, CAS Sportphysiotherapie Referentin
[1]Heuss, Sabina (2018): «Darum» ist keine Antwort auf «Why». Gelingende Kommunikation mit den Ärzten der Generation Y.