· 

ACTIVDISPENS® Bewegung trotz Sportdispens

ACTIVDISPENS® ist ein innovatives Programm für verletzte Schülerinnen und Schüler, welches früh das Bewusstsein für ein eigenverantwortliches Gesundheitsverhalten schulen und somit einen Beitrag zur Gesundheitsförderung leisten kann. Die Kindheit legt wesentliche Grundlagen für die spätere Gesundheit. Lisa Runge hat einen Artikel für das Magazin "Physio Active" geschrieben, den sie heute im Blog veröffentlicht.

 Mehr Beispiele auf: www.activdispens.ch oder in der App (für iPhone und Android)

 

Viele chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates sind Folge von zu wenig Bewegung und daher vermeidbar. Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen am Bewegungsapparat werden häufig dazu ermutigt sich gesünder zu verhalten und eine Lebensstiländerung vorzunehmen. Im therapeutischen Alltag fällt Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten daher eine aufklärende Rolle bei der Behandlung dieser Patientinnen und Patienten zu. Effizienter wäre es, wenn viele dieser chronischen Krankheiten gar nicht erst entstehen würden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass das Gesundheitsbewusstsein für mehr Bewegung bereits in der Kindheit (fest) verankert wird. Es gibt jedoch einen Trend, der aufzeigt, dass sich heutzutage bereits Kinder und Jugendliche weniger bewegen und immer häufiger im Vergleich zu früher mit motorischen Einschränkungen und Haltungsschwäche zu kämpfen haben (1). 

 

Die aktuelle Swiss Children’s Objectively Measured Physical Activity Studie (SOPHYA) zeigt, dass Sport bei den Jugendlichen in der Schweiz einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Dennoch ist die aktiv verbrachte Zeit bei den 6-19 Jährigen in der Schweiz seit 2008 rückläufig (2). Mit zunehmenden Alter verbringen Kinder und Jugendliche mehr sitzend als mit Bewegung (2)(3).Mal abgesehen von vielen anderen gesundheitlichen Vorteilen, ist eine angemessene Aktivität bei Kindern eine fundamentale Voraussetzung bei deren motorischen und geistigen Entwicklung (3). Das Ziel ist es daher körperliche Bewegung früh zu fördern. 

 

Die Grundidee des Projektes ist die aktive Integration teildispensierter Schülerinnen und Schüler in den Sportunterricht.

Eine komplette Freistellung vom Sport in der Krankheitsphase widerspricht in vielen Fällen den heutigen Kenntnissen und Erfahrungen der Sportmedizin (4). Mit einer ärztlichen Sportdispensation wird den Kindern fälschlicherweise suggeriert, dass eine passive Haltung gesund ist und Bewegung schädlich sein kann. Das Übungsprogramm von ACTIVDISPENS® bietet einAlternativprogramm, welches ihren Genesungsverlauf positiv beeinflusst. Es soll den Jugendlichen aufzeigen, dass es einen (intelligenten) Mittelweg gibt zwischen kompletter Inaktivität und intensivem Sport. Dieser Weg ist notwendig für ein besseres Körpergefühl und Verständnis, was gut für die eigene Gesundheit ist.

 

Für die Erarbeitung des Konzeptes gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten/innen, Ärzten/innen und Sportlehrerpersonen. Mit Hilfe einer Bedarfsanalyse wurde 2013 ein Fragebogen an 2600 Mitglieder von drei schweizerischen Ärztegesellschaften versandt (5). Ein weiterer Fragebogen wurde an 4.000 Sportlehrpersonen des SVSSs an Schulen verteilt. Aus den Rückmeldungen wurde ein Teildispensationsformular für Ärztinnen und Ärzte entwickelt, welches die Bedürfnisse aller Berufsgruppen abdeckt und sicherstellt, dass sich der Verletzungszustand der Jugendlichen nicht durch inkorrekte Bewegung und Aktivität verschlechtert oder eine neue Verletzung hinzukommt.

 

Die Erstellung eines geeigneten Trainingsprogramms war die Verantwortung der Physiotherapeuten, die als Fachpersonen für korrekte Bewegungen die Bedürfnisse der Berufsgruppen und verletzten Jugendlichen beachtet haben. Es wurde darauf geachtet, dass es eine für das Kind angepasste individuelle Lösung gibt. Das Ergebnis ist ein Katalog mit Übungen, die mithilfe physiotherapeutischer und schulsportspezifischer Fachliteratur zusammengetragen wurden. Die Übungen können zum Teil selber ausgewählt und angepasst werden. Das Programm ist bewusst einfach gehalten und unterstützt die Sportlehrperson dabei, teildispensierte Schülerinnen und Schüler aktiv in den Schulsport zu integrieren. 

 

Dass Interdisziplinarität nicht nur bei den beteiligten Berufsgruppen gut ankommt verdeutlicht das Beispiel eines Schülers am Gymnasium in Oberwil in Baselland, der den Übungen zunächst skeptisch gegenüberstand. Als der Sportlehrer ihm jedoch mitteilte, dass das Programm speziell von Physiotherapeuten entwickelt wurde, war er begeistert, motiviert und fühlte sich angesprochen.

 

Seit das Projekt 2013 von der schweizerischen Arbeitsgruppe für Rehabilitationstraining (SART) und dem schweizerischen Verband für Sport in der Schule (SVSS) ins Leben gerufen wurde, hat sich viel getan. Auf der einen Seite konnte ein deutlicher Anstieg der Schulen beobachtet werden, die das Konzept in ihren Schulalltag integrieren. Das Konzept wird in den Kantonen Glarus, Graubünden, Nidwalden, Schwyz,  Fribourg, Zug und das Fürstentum Liechtenstein flächendeckend auf den Stufen Sek I und Sek II angewendet. Zusätzlich haben bereits 200 Schulen in der ganzen Schweiz ACTIVDISPENS®umgesetzt. Auf der anderen Seite hat sich das Konzept im Bereich Nutzerfreundlichkeit ebenfalls stetig weiterentwickelt. Mittlerweile wurde die Webseite in alle vier Landessprachen übersetzt und eine englische Version ist verfügbar (6). Zusätzlich kann man in der Schweiz auf youtube ein Video ansehen. Die App, die seit Anfang 2017 in der Schweiz kostenlos im App Store bereit steht, ermöglicht Schülern und Lehrpersonen nach einmaligem Herunterladen der Übungen, auch ohne Internetzugang alle Übungen als Video ansehen zu können. Mit der App können alle Übungen offline gespeichert werden. Sollte kein Internetzugang zur Verfügung stehen, können nach wie vor die Übungen als PDF-Dokumente ausgedruckt und anhand der beschriebenen Anleitung durchgeführt werden.

 

Das Programm soll im individuellen Fall nicht eine spezifische Physiotherapie ersetzen.

In solchen Fällen stellt ACTIVDISPENS® eine wertvolle Unterstützung für den Genesungsverlauf der Jugendlichen dar. Der Effekt von ACTIVDISPENS® soll weiterhin analysiert werden, weshalb derzeit geplant ist Daten zu erheben, die prüfen sollen, ob seit Einführung von ACTIVDISPENS® die Anzahl an Schuldispensationen zugunsten erstellter Teildispensationen reduziert werden konnte.

 

 

Lisa Runge

Vorstandsmitglied der SART

MScPT

Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften 

 

 

Für weitere Informationen: 

info@activdispens.ch

 

 

 Literatur

1     Weiß, A., Weiß, W., Stehle, J., Zimmer, K., Heck, H., & Raab, P. (2004). Beeinflussung der Haltung und Motorik durch Bewegungsförderungsprogramme bei 

2     Kindergartenkindern. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 55(4), 101-105.

3     Bringolf-Isler, B., Probst-Hensch, N., Kayser, B., & Suggs, S. (2016). Schlussbericht zur SOPHYA-Studie (Laufzeit des Projekts: Januar 2013-Januar 2016).

4     World Health Organization (WHO. (2017). EUR/RC65/9 Physical activity strategy for the WHO European Region 2016–2025. Health.

5     Gunkel, I., & Hebestreit, H. (2002). 1.3 Auswirkungen von Training im Kindes-und Jugendalter. Kinder-und Jugendsportmedizin: Grundlagen, Praxis, Trainingstherapie; 41 Tabellen, 21.

6     Diriwächter, Claudia. (2013). Bedarfsanalyse zur Entwicklung eines einheitlichen Sportdispensationsformulars. Arbeit im Rahmen des Projekts «Bewegung trotz Sportdispens». Interfakultärer Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaften. Universität Salzburg.

7     Bewegung trotz Sportdispens. activdispens.ch. http://activdispens.ch/. (abgerufen am 12.11.2017).