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Warum Aufklärung und gemeinsame Therapieplanung wichtig sind!


Anmerkung der SART-Redaktion:

Dieser Beitrag reflektiert die individuelle Einschätzung und den fachlichen Behandlungsansatz des Autors und stellt keine offizielle Position oder Empfehlung der SART dar


Nachdem eine vertrauensvolle Patienten-Therapeuten-Beziehung aufgebaut wurde und die Anamnese sowie der Befund abgeschlossen sind, steht der nächste entscheidende Schritt an: Die Aufklärung über den Befund und die gemeinsame Therapieplanung.

Das heisst, dem Patienten die Erkenntnisse verständlich erklären und gemeinsam mit ihm den besten Behandlungsweg zu erarbeiten. [1]

 

 

Wichtigkeit der therapeutischen Allianz

Ängste nehmen, Vertrauen aufbauen

 

Viele Patienten kommen mit der unausgesprochenen Sorge zu uns: "Ist es etwas Ernstes?" Ein einfacher Satz kann hier Wunder wirken: "Anhand der Tests, die ich durchgeführt habe, gehe ich nicht davon aus, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Du hast Schmerzen, und das ist belastend, aber es geht nichts kaputt."

 

Diese Worte können für den Patienten unglaublich erleichternd wirken und eine positive Grundlage für die weitere Behandlung schaffen. Es gilt wie Poulter et al. sagen: "Akzentuiere das Positive, eliminiere das Negative und halte dich an das Bejahende." [2]

 

 

Erklärung der Symptome: Eine Herausforderung

 

Als Nächstes wollen Patienten verstehen, woher ihre Beschwerden kommen. Dies kann besonders bei komplexen Schmerzgeschehen auf Grund der multifaktoriellen Natur eine Herausforderung sein. Hier hilft eine individualisierte Erklärung, die den Kontext und das Verständnis des Patienten berücksichtigt.

 

Falls eine biomechanische Erklärung notwendig ist, können anatomische oder mechanische Ursachen aufgezeigt werden. Betrifft es biopsychosoziale Perspektiven, sollten Faktoren wie Stress, Schlaf, Bewegung, emotionale Belastungen usw. in die Erklärung einbezogen werden. Metaphern und Vergleiche können helfen, komplizierte Zusammenhänge greifbar zu machen. Zum Beispiel: "Stellen dir deinen Körper wie eine gut eingespielte Fussballmannschaft vor. Momentan stimmt das Zusammenspiel von Angriff und Verteidigung nicht ganz - das verursacht deine Schmerzen. Unsere Aufgabe ist es, alle Spieler wieder harmonisch zu einer Mannschaft zu formen."

 

Die Prognose: Realistische Erwartungen setzen

 

Patienten möchten zudem wissen, wie es weitergeht. Eine ehrliche, aber hoffnungsvolle Prognose ist hier der Schlüssel. Dabei kann die Fachexpertise der Therapeutin miteinbezogen werden: "Viele Menschen mit ähnlichen Beschwerden erleben innerhalb der nächsten 6-8 Wochen eine deutliche Besserung. Es kann Höhen und Tiefen geben, aber insgesamt sollten wir eine positive Entwicklung beobachten."

 

Therapieziele festlegen: Den Weg zur Besserung planen

 

Klare Therapieziel zu setzen und die Entwicklung mittels regelmässigen Fortschrittskontrollen zu messen sind elementar, um die Therapie bei Bedarf schnellstmöglich anpassen zu können. Was wollen wir gemeinsam erreichen? Diese Ziele können kurzfristig sein, etwa die Schmerzreduktion während einer einzelnen Therapieeinheit, oder langfristig, wie die Rückkehr zum Sport nach einer VKB-Operation. Dieses Vorgehen wird von den Patienten geschätzt. [3]

 

Mit der Zielsetzung sind wir bei der Frage, wie erreichen wir zusammen das Ziel, angelangt - sprich der Therapieplanung.

 

Therapieoptionen und gemeinsame Entscheidungsfindung

 

Nun kommen wir zu einem kritischen Punkt: der Vorstellung verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. Patienten wünschen sich zunehmend eine aktive Rolle in ihrer Therapiegestaltung (shared decision making). Das bedeutet, dass verschiedene Therapieoptionen (konservativ, operativ, medikamentös, ergänzende Faktoren) erklärt werden sollen. Hier ist Professionalität gefragt. Auch wenn wir persönliche Präferenzen haben, ist es unsere Aufgabe, dem Patienten ein umfassendes Bild zu vermitteln. "Es gibt verschiedene Optionen, die wir haben. Lass uns die Optionen durchgehen und schauen, was am besten zu dir und deiner Situation passt." Dabei sollten stets wissenschaftliche Erkenntnisse und somit die Bewertung von Wahrscheinlichkeiten mit einbezogen werden. Eine effektive Methode kann die aktive Therapie sein – und das aus guten Gründen (siehe unten).

 

Die Sicht des Patienten, welche es in die Entscheidungsfindung einzubeziehen gilt, kann einen teilweise überraschen. Deswegen sollte stehts danach gefragt werden: "Was glaubst du hilft dir am meisten? Wo siehst du für dich die größten Chancen?" Diese Fragen fördern nicht nur die Adhärenz, sondern stärken auch das Vertrauen und die Motivation des Patienten. Gemeinsam wird dann ein konkreter Plan erarbeiten. "Basierend auf unserer Diskussion schlage ich vor, dass wir mit aktiver Therapie beginnen und nach zwei Wochen die Fortschritte evaluieren. Wie klingt das für dich?"

Die gemeinsame Planung verbessert dabei die Patientenbeteiligung und führt so zu besseren Ergebnissen. [4]

 

Es kann jedoch auch dazu kommen, dass die Vorstellung des Patienten und des Therapeuten komplett konträr ist – oftmals werden dann passive Therapieformen wie Massage vom Patienten bevorzugt. Hierbei sollten die Gründe für eine andere Therapieform von seitens des Therapeuten gut dargelegt werden. Eine Möglichkeit, ist das solch eine Therapieform einen kleinen Teil der Behandlung einnimmt, der zunehmend reduziert wird. Sollten sich beide Seiten jedoch nicht kompromissbereit zeigen, muss man sich die Frage stellen, ob eine Weiterführung der Therapie unter diesen Bedingungen sinnvoll ist oder ob beiden Seiten gedient ist, wenn man getrennte Wege geht.

 

Warum aktive Therapie ein Teil der Therapie sein sollte

 

Die SART hat sich nicht ohne Grund die aktive Rehabilitation auf die Fahne geschrieben. Aktive Therapie und Training sind eine wahre Polypille.[5] Jeder weiss, dass sie die Kraft [6] [7] steigern und dadurch das Bindegewebe, einschliesslich des Knochenwachstums [8], fördern sowie Körperfett reduziert [9]. Doch ihre Vorteile gehen weit darüber hinaus: Aktive Bewegung reduziert Schmerzen [10], unterstützt Heilungsprozesse [11] und hat positive Effekte auf psychologische Erkrankungen [12]. Zudem senkt sie das Risiko, an verschiedenen Krankheiten zu erkranken [13] [14] , verlangsamt das Altern [15] und kann flexibel in nahezu jeder Umgebung durchgeführt werden. Ein entscheidender Vorteil ist auch, dass Patienten dadurch weniger abhängig von Gesundheitsfachleuten werden und mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen können. Das heisst: die so wichtige Selbstwirksamkeit wird gesteigert. [16] Diese umfassenden positiven Effekte machen aktive Therapie zu einem unverzichtbaren Bestandteil einer erfolgreichen Behandlung.

 

Fazit: Der Patient im Mittelpunkt

 

Indem wir den Patienten in jeder Phase – von der Beruhigung über die Erklärung bis hin zur Entscheidungsfindung – einbeziehen, schaffen wir die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Wir zeigen damit nicht nur unsere fachliche Kompetenz, sondern auch unseren Respekt für die Autonomie und das Wissen des Patienten über seinen eigenen Körper. Diese patientenzentrierte Herangehensweise mag zunächst mehr Zeit in Anspruch nehmen, zahlt sich aber langfristig durch bessere Therapieergebnisse und zufriedenere Patienten aus. Letztendlich geht es darum, gemeinsam den besten Weg zur Genesung zu finden – eine Partnerschaft, die auf Vertrauen, Verständnis und gegenseitigem Respekt basiert.

 

Im nächsten Blog erläutern wir die 5 CoreKnowledge Grundsätze, die es dir ermöglichen aktive Therapie adäquate zu planen und durchzuführen.

 

[1] Harvey, D., White, S., Reid, D. & Cook, C. (2025) 'Patient perspectives of process variables in musculoskeletal care pathways', Musculoskeletal Science and Practice, 76, p. 103287. Available at: https://doi.org/10.1016/j.msksp.2025.103287.

[2] Teo, J.L., Zheng, Z. & Bird, S.R. (2022) 'Identifying the factors affecting "patient engagement" in exercise rehabilitation', BMC Sports Science, Medicine and Rehabilitation, 14, p. 18. Available at: https://doi.org/10.1186/s13102-022-00407-3.

[3] Pareja-Galeano H, Garatachea N, Lucia A. Exercise as a Polypill for Chronic Diseases. Prog Mol Biol Transl Sci. 2015;135:497-526. doi: 10.1016/bs.pmbts.2015.07.019. Epub 2015 Aug 14. PMID: 26477928.

[4] Carvalho, L., Junior, R.M., Barreira, J., Schoenfeld, B.J., Orazem, J. & Barroso, R. (2022) 'Muscle hypertrophy and strength gains after resistance training with different volume-matched loads: a systematic review and meta-analysis', Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism, 47(4), pp. 357–368. Available at: https://doi.org/10.1139/apnm-2021-0515.

[5] Campbell, W.W., Crim, M.C., Young, V.R. & Evans, W.J. (1994) 'Increased energy requirements and changes in body composition with resistance training in older adults', American Journal of Clinical Nutrition, 60, pp. 167–175.

[6] Watson, S.L., Weeks, B.K., Weis, L.J., Harding, A.T., Horan, S.A. & Beck, B.R. (2018) 'High-Intensity Resistance and Impact Training Improves Bone Mineral Density and Physical Function in Postmenopausal Women With Osteopenia and Osteoporosis: The LIFTMOR Randomized Controlled Trial', Journal of Bone and Mineral Research, 33(2), pp. 211–220. Available at: https://doi.org/10.1002/jbmr.3284.

[7] Strasser, B. & Schobersberger, W. (2011) 'Evidence of resistance training as a treatment therapy in obesity', Journal of Obesity, 2011, p. 482564.

[8] Naugle, K.M., Fillingim, R.B. & Riley, J.L. (2012) 'A meta-analytic review of the hypoalgesic effects of exercise', Journal of Pain, 13(12), pp. 1139–1150. Available at: https://doi.org/10.1016/j.jpain.2012.09.006.

[9] Khan, K.M. & Scott, A. (2009) 'Mechanotherapy: how physical therapists' prescription of exercise promotes tissue repair', British Journal of Sports Medicine, 43(4), pp. 247–252. Available at: https://doi.org/10.1136/bjsm.2008.054239.

[10] O’Connor, P.J., Herring, M.P. & Caravalho, A. (2010) 'Mental health benefits of strength training in adults', American Journal of Lifestyle Medicine, 4, pp. 377–396.

[11] Braith, R.W. & Stewart, K.J. (2006) 'Resistance exercise training: its role in the prevention of cardiovascular disease', Circulation, 113, pp. 2642–2650.

[12] Strasser, B., Siebert, U. & Schobersberger, W. (2010) 'Resistance training in the treatment of metabolic syndrome', Sports Medicine, 40, pp. 397–415.

[13] Melov, S., Tarnopolsky, M., Beckman, K., et al. (2007) 'Resistance exercise reverses aging in human skeletal muscle', PLoS One, 2, p. e465.

[14]  Degerstedt, Å., Alinaghizadeh, H., Thorstensson, C.A. & Olsson, C.B. (2020) 'High self-efficacy – a predictor of reduced pain and higher levels of physical activity among patients with osteoarthritis: an observational study', BMC Musculoskeletal Disorders, 21, p. 380. Available at: https://doi.org/10.1186/s12891-020-03407-x.

 


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