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Die 5 Grundsätze des Rehabilitationstrainings!


Anmerkung der SART-Redaktion:

Dieser Beitrag reflektiert die individuelle Einschätzung und den fachlichen Behandlungsansatz des Autors und stellt keine offizielle Position oder Empfehlung der SART dar.


Anamnese und Befund sind durchgerührt, die Therapieziele sind bekannt, die Therapieplanung wurde zusammen erstellt und somit kann es unter anderem zur aktiven Therapie übergehen. Wie im letzten Blog beschrieben, ist die aktive Therapie eine wahre Polypille. Sie hat Auswirkungen auf Schmerzintensität, Heilungskraft, die Kraft an sich, das Immun- und Nervensystem, psychosoziale Aspekte uvm. und das ohne unerwünschte Nebenwirkungen. [1]

 

Doch wie bei jedem Medikament gilt es, die «Gebrauchsanweisung» zu lesen und einzuhalten. Durchforstet man die Literatur nach möglichen Vorgehensweisen/Grundsätzen, so wird man von teils widersprüchlichen Hinweisen regelrecht überflutet. Bevor wir auf die 5 CoreKnowledge Grundsätze im Einzelnen eingehen, möchten wir zum besseren Verständnis zunächst unsere Sichtweise auf Prinzipien, Grundsätze und Methoden darlegen.

 

 

Was sind Prinzipien, Grundsätze und Methoden?

 

Prinzipien sind universelle, unveränderliche Grundlagen (Naturgesetze).

 

Darunter ist die Homöostase, die Immunantwort, das allgemeine Anpassungssyndrom, die Reizstufenregel, das SAID-Prinzip, die neuronale Plastizität, die Mechanotransduktion und weitere zu nennen und zu kennen.

 

Grundsätze sind handlungsleitende Regeln für die Praxis. Es geht um das praktische Anwenden von Prinzipien. Zum Beispiel Grundsatz: „Intensität anpassen“ wendet die Reizstufenregel an.

 

Methoden hingegen sind Werkzeuge/Vorgehensweisen, z. B. Hypertrophietraining, sensomotorisches Training…

 

So gesehen ist der “Overload” kein Prinzip, sondern eine Methode. Das Prinzip ist die Reizstufenregel und der Grundsatz “Intensität anpassen” führt je nach Ausgangslage und Ziel zur Methode “Overload”.

 

Prinzip

Reizstufenregel

Grundsatz

Intensität anpassen

Methode

Overload

 

Prinzipien musst du kennen, Grundsätze wiederum musst du mittels unterschiedlicher Methoden anwenden können!

 

Kommen wir nun zu den 5 CoreKnowledge Grundsätzen:

 

Grundsatz: Regelmässig belasten

 

Auch wenn alle Grundsätze gleichgewichtet sind, ohne regelmässige Belastung geht nichts. Nur durch regelmässige Belastung kann der Körper sich langfristig anpassen. Durch eine einmalige Belastung wird es, wenn überhaupt nur zu kurzen Anpassungsreaktionen kommen, die schnell wieder verschwinden (Prinzip: allgemeines Anpassungssyndrom, Reizstufenregel, Homöostase). Darum gibts die Redewendung: Wer rastet, der rostet!

 

Damit eine Regelmässigkeit gewährleistet werden kann, muss das erstellte Programm zeitlich und energetisch für den Patienten machbar sein. Zudem gilt es die Motivation hochzuhalten, damit eine Regelmässigkeit gewährleistet werden kann. Spass ist dabei einer der besten Förderer der intrinsischen Motivation.

 

Zeitlich

plane feste Zeiten, 5 kurze Einheiten sind besser als keine, verknüpfe es mit einer Alltagsroutine (z.B. auf dem Heimweg von der Arbeit)…

Energetisch

betrachte Training nicht als zusätzliche Belastung, sondern als Stressabbau, Yoga und Spazierengehen können Teil des Programms sein…

Motivation

setzte realistische Ziele, nutze einen Sport der Spass macht, messe Fortschritte…

 

Grundsatz: Zielgerichtet planen

 

Das Therapieziel wurde wie erwähnt schon zusammen bestimmt. Jetzt gilt es die Planung zielgerichtet dafür auszulegen (Prinzip: SAID). Denn ein zielgerichtetes Training spart Zeit und schafft Klarheit, da es dem Kunden eine klare Orientierung gibt. Das Grundziel sollte dabei stets unbewusste Körperkontrolle in Bewegungen (uKiB) lauten. Allein durch dieses Ziel ergibt sich, welche Übungen wir wie lehren werden.

 

Will der Patient nach einer Knieoperation wieder schmerzfrei (unbewusst) die Treppe runter laufen können, so sollte eine graduelle Steigerung der Belastung hin Hinblick auf die Übung step-down geplant werden. Für komplexe Rückenschmerzpatienten wäre ein Übungsprogramm zum Bücken sinnvoll um die fear-avoidance Glaubenssätze durchbrechen zu können.

 

 

Grundsatz: Individuell handeln

 

Ob wir es wollen oder nicht: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf denselben Belastungsreiz. Messungen zeigen diese inter-individuellen Unterschiede deutlich. [2]

Das liegt daran, dass der Mensch ein komplexes System ist.

 

Exkurs:          

Kompliziert = schwierig, aber mit Expertenwissen vorhersehbar

Komplex = unvorhersehbar, keine klare Ursache-Wirkung-Beziehung

 

 

 

In das komplexe System spielt dabei Alter, Genetik, Stresslevel, Schlafqualität, Ernährung und viele weitere Faktoren eine Rolle (Prinzip Individualität). Deshalb ist ein individuelles Vorgehen essenziell. Und was einmal bei einem Patienten geklappt hat, muss zu späterem Zeitpunkt nicht nochmals genauso funktionieren.

 

 

 

Grundsatz: Intensität anpassen

 

Wer kennt es nicht? Höher, schneller weiter. Die Intensität steigern, um «besser» zu werden. Dabei ist die Intensität stets dem aktuellen IST-Zustand anzupassen (Prinzipien: Reizstufenregel, Individualität). Eine Anpassung muss dabei nicht immer mit einer Steigerung einhergehen. Auch eine Reduzierung der Intensität kann angebracht sein. Das findet zum Beispiel nach einer Verletzung statt oder wenn eine Überlastung vorliegt. Getreu dem Motto: Fordern, aber nicht überfordern!

 

 

Grundsatz: Methoden und Übungen abwechseln

 

Neue Reize setzt man nicht nur mit Steigerung der Intensität! Vielmehr ist eine Variation von Methoden und Übungen entscheidend (Prinzip: Homöostase, Neuroplastizität). Gerade im Rahmen der Rehabilitation, wo es oft um das (Wieder-)Lernen motorischer Fähigkeiten geht, spielt diese Vielfalt eine zentrale Rolle. Die verschieden Kraft Fertigkeiten: Maximalkraft, Kraftausdauer, Schnellkraft oder die Hypertrophie müssen nicht unbedingt getrennt trainiert werden. In den meisten Fällen hast du es nicht mit Spitzensportler zu tun. Und es geht hier um die Rehabilitation nicht um das Leistungstraining! Die Zielgruppe besteht vielmehr aus Menschen, deren Alltag bereits eine gewisse Mischung aus körperlichen Anforderungen beinhaltet. Eine integrative Herangehensweise spiegelt die natürlichen Bewegungsabläufe im Alltag besser wider. Ein Beispiel hierfür ist ein Bauarbeiter, der im Laufe eines Arbeitstages sowohl Maximalkraftleistungen als auch ausdauernde Tätigkeiten erbringen muss. Ähnlich verhält es sich bei alltäglichen Aktivitäten wie Gartenarbeit oder Umzugshilfen, bei denen unterschiedliche Belastungsformen abwechselnd auftreten. Auch beim Spielsportarten wechseln sich Gehen, Joggen und Sprinten ständig ab.

Die Variation von Übungen und Methoden fördert nicht nur die körperliche Anpassungsfähigkeit, sondern auch die Motivation der Patienten. Monotone Trainingspläne können schnell langweilig werden und die Compliance negativ beeinträchtigen.

 

Geh darum weg vom stupiden 2-3x 10-15 Wdh. Squats [3] hin zu 1 Serie Squats, 1 Serie Bulgarian Split Squats, 1x Split Lunges.

 

Kombiniert mit unterschiedlicher Methode könnte es wie folgt aussehen:

  • 1x 8 Wdh. Squats
  • 1x4 Wdh .Bulgarian Split Squats
  • 1x15 Wdh. Lunges

Für eine weitere Differenzierung sieh unser Artikel Mischmethoden auf coreknowledge.eu.

 

 

5 Grundsätze – mehr nicht

 

Die fünf Grundsätze des Rehabilitationstrainings – Regelmässigkeit, Zielgerichtetheit, Individualität, Anpassung der Intensität und Variation – bilden das Fundament einer erfolgreichen Therapie. Wer diese Grundsätze anwendet, kann seinen Patienten zu jeder Zeit ein effektives, motivierendes und langfristig erfolgreiches Trainingsprogramm zusammenstellen.

 

Im nächsten Blog werfen wir ein Blick auf das implizite Lernen und wie wir die Selbstwirksamkeit im Training steigern können.

 


[1] Pareja-Galeano H, Garatachea N, Lucia A. Exercise as a Polypill for Chronic Diseases. Prog Mol Biol Transl Sci. 2015;135:497-526. doi: 10.1016/bs.pmbts.2015.07.019. Epub 2015 Aug 14. PMID: 26477928.

 

[2] Erskine RM, Jones DA, Williams AG, Stewart CE, Degens H. Inter-individual variability in the adaptation of human muscle specific tension to progressive resistance training. Eur J Appl Physiol. 2010 Dec;110(6):1117-25. doi: 10.1007/s00421-010-1601-9. Epub 2010 Aug 12. PMID: 20703498.

 

[3] Skou ST, Thorlund JB. A 12-week supervised exercise therapy program for young adults with a meniscal tear: Program development and feasibility study. J Bodyw Mov Ther. 2018 Jul;22(3):786-791. doi: 10.1016/j.jbmt.2017.07.010. Epub 2017 Jul 27. PMID: 30100313.


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