
Anmerkung der SART-Redaktion:
Dieser Beitrag reflektiert die individuelle Einschätzung und den fachlichen Behandlungsansatz des Autors und stellt keine offizielle Position oder Empfehlung der SART dar.

Wenn Menschen sich bewegen, denken sie oft nicht darüber nach, worauf sie dabei achten. Sie haben eine unbewusste Körperkontrolle in Bewegung. In der Rehabilitation ist dies zu Beginn meist anders: Häufig müssen die Patienten das betroffene Körperteil bei den Bewegungen zusehen können, wenn sie es bewegen.
Gleichzeitig wird viel darüber gesprochen, wie jemand sich bewegen soll. Welche Muskeln aktiviert werden sollen. Welche Gelenke wohin zeigen sollen. Und was man „spüren“ soll.
Und genau hier wird es auch interessant: Denn die Art, wie wir Aufmerksamkeit lenken, verändert nicht nur was wir wahrnehmen – sie beeinflusst, wie gut wir lernen. [1] [2]
Externer oder interner Fokus?
Die Forschung unterscheidet verschiedene Arten des Aufmerksamkeitsfokus. Am bekanntesten ist der Unterschied zwischen externem und internem Fokus.
Beim internen Fokus liegt die Aufmerksamkeit auf dem eigenen Körper: „Zieh die Schulterblätter zusammen“, „spann den Bauch an“. Das ist oft der Standard in Therapie und Training – nachvollziehbar, denn es klingt nach Kontrolle.
Der externe Fokus dagegen richtet sich auf den Effekt der Bewegung: „Drück dich vom Boden ab“, „lauf auf der geraden Linie“, „triff den Punkt“.
Die Mehrheit der Studien zeigen dabei, dass ein externer Fokus zu besseren Leistungen, stabileren Bewegungen und schnellerem Lernen führt. [3] [4]
Wie das? Scheinbar, weil ein externer Fokus das Bewegungssystem automatisch organisieren lässt und kortikale Prozesse moduliert werden. Der Körper findet somit den effizientesten Weg – ohne dass der Kopf alles kontrollieren muss. [5]
Ein dritter Weg: Der holistische Fokus
Manchmal braucht es weder das eine noch das andere, sondern das Gefühl bzw. die Wahrnehmung der Bewegung. Bewegungen, die „explosiv“, „unter voller Kontrolle“ oder „weich bei der Landung“ sind, entsprechen dem holistischen Fokusvorgaben und zeigen teils bessere Leistungen als interner und externer Fokus. [6]
Was zählt: Relevanz
Die wichtigste Erkenntnis: Nicht jede Art von Fokus wirkt gleich. Als Therapeut sollte man sich dem stets bewusst sein. Man kann dadurch unterschiedliches Lernen ermöglichen. Die Tendenz geht hin zu externem oder holistischem Fokus. Dadurch wird ein Lernen erreicht, das bleibt – nicht nur für den Moment, sondern auch im Alltag. Für einen differenzierteren Blick schaue hier.

Feedback geben
Eng verknüpft mit dem Thema Aufmerksamkeit ist das Geben von Feedback. Und auch hier gilt: Weniger ist oft mehr.
Wird Feedback zu früh oder zu häufig gegeben, verlagert sich die Wahrnehmung – weg vom eigenen Körper, hin zur äusseren Rückmeldung. Es wird verlernt, auf die eigenen Körpersignale zu hören. Die Folge: Der Lernende wird abhängig von Feedbackquellen.
Studien zeigen, dass zu viel explizites, verbales Feedback die Fähigkeit zur selbstorganisierten Bewegungserkundung einschränkt – und damit das motorische Lernen behindern kann. [7]
Wie kann man das ändern? Ganz einfach: Überlasse dem Kunden die Wahl, wann er Feedback haben möchte. Dieses Prinzip des Self-Controlled Feedback stärkt nicht nur die Selbstwahrnehmung, sondern auch die Autonomie – und genau das fördert nachhaltiges Lernen. [2]
Was wir erwarten – beeinflusst, was wir können
Neben Fokus und Feedback spielt noch ein weiterer, oft unterschätzter Faktor im motorischen Lernen eine zentrale Rolle: die Erwartung.
Schon die Überzeugung, dass eine Übung leicht gelingen wird, verbessert die Ausführung messbar. Gleiches gilt umgekehrt: Wer glaubt, dass etwas schwierig oder gar nicht machbar ist, hat es oft schwerer – ganz unabhängig vom tatsächlichen Können. [2]
Das Erstaunliche: Bereits einfache Suggestionen – etwa „Du performst gut unter Druck“ – reichen aus, um Leistung und Lernen positiv zu beeinflussen.
Erfolgserlebnisse verstärken diesen Effekt und führen zu einer positiven Erwartungshaltung, die wiederum:
- die Selbstwirksamkeit stärkt,
- das Interesse an der Aufgabe erhöht,
- die Zufriedenheit mit der eigenen Leistung steigert,
- das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wachsen lässt,
- und Versagensängste reduziert.
Fazit
Fokus, Feedback und Erwartung sind mehr als Begleitfaktoren im motorischen Lernen – sie sind entscheidende Stellschrauben, die gezielt genutzt werden können.
Wer als Therapeut oder Trainer bewusst mit diesen Aspekten arbeitet, fördert nicht nur kurzfristige Fortschritte, sondern ermöglicht Lernen, das bleibt – im Alltag, im Training und weit über die Therapie hinaus.
Abschluss der Blogreihe – was bleibt?
Sieben Beiträge, ein gemeinsames Ziel: Lernen verstehen – und Bewegung nachhaltig fördern. Diese Reihe hat beleuchtet, was für eine effektive Therapie und effektives motorisches Lernen wirklich entscheidend ist. Denn nachhaltige Therapie bedeutet mehr als expertengesteuerte korrekt ausgeführte Übungen. Sie bedeutet, Bedingungen zu schaffen, in denen Veränderung möglich wird:
- Empathie
- aktives Zuhören
- respektvoller Umgang
- Bedürfnisse und Überzeugungen des Patienten beachten
- Ängste ernst nehmen
- Erklären des Krankheitsbildes/-verlaufs inkl. Prognose
- Festlegen der Therapieziele
- gemeinsame Entscheidungsfindung
- regelmässig belasten
- zielgerichtet planen
- individuell handeln
- Intensität anpassen
- Methoden und Übungen variieren
- implizites Lernen
- Feedback bedacht geben
- Aufmerksamkeitsfokus lenken
- Erwartungen beachten
Mit diesem Blog endet die Reihe. Doch CoreKnowledge hofft, dass du den Mut hast, neue Ufer zu erkunden und auszuprobieren. Deine Patienten werden es dir danken, denn für sie kann es sich nur positiv auswirken.
[1] Leung M, Rantalainen T, Teo W-P, Kidgell D (2017) The corticospinal responses of metronome-paced, but not self-paced strength training are similar to motor skill training. Eur J Appl Physiol 117:2479–2492. https://doi.org/10.1007/s00421-017-3736-4
[2] Wulf G, Lewthwaite R (2016) Optimizing performance through intrinsic motivation and attention for learning: The OPTIMAL theory of motor learning. Psychon Bull Rev 23:1382–1414. https://doi.org/10.3758/s13423-015-0999-9
[3] Chua L-K, Jimenez-Diaz J, Lewthwaite R, et al (2021) Superiority of external attentional focus for motor performance and learning: Systematic reviews and meta-analyses. Psychological Bulletin 147:618–645. https://doi.org/10.1037/bul0000335
[4] Gottwald V, Davies M, Owen R (2023) Every story has two sides: evaluating information processing and Vecological dynamics perspectives of focus of attention in skill acquisition. Front Sports Act Living 5:1176635. https://doi.org/10.3389/fspor.2023.1176635
[5] Rio E, Kidgell D, Moseley GL, et al (2016) Tendon neuroplastic training: changing the way we think about tendon rehabilitation: a narrative review. Br J Sports Med 50:209–215. https://doi.org/10.1136/bjsports-2015-095215
[6] Zhuravleva, T., Aiken, C. A., Becker, K. A., Lin, P. C., & Sampson, J. J. (2023). The use of a holistic focus of attention to improve standing long jump performance among NCAA track and field athletes. Int J Sports Sci Coach.
[7] Otte FW, Davids K, Millar S-K, Klatt S (2020) When and How to Provide Feedback and Instructions to Athletes?—How Sport Psychology and Pedagogy Insights Can Improve Coaching Interventions to Enhance Self-Regulation in Training. Front Psychol 11:1444. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01444
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