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Thema
"Warum Aufklärung und gemeinsame Therapieplanung wichtig sind!"
Aus der Blogreihe von Jochen Ganzmann (CoreKnowledge)
Nachdem eine vertrauensvolle Patienten-Therapeuten-Beziehung aufgebaut wurde und die Anamnese sowie der Befund abgeschlossen sind, steht der nächste entscheidende Schritt an: Die Aufklärung über den Befund und die gemeinsame Therapieplanung.
Das heisst, dem Patienten die Erkenntnisse verständlich erklären und gemeinsam mit ihm den besten Behandlungsweg zu erarbeiten.
Freut Euch auf unseren Blog!
Anmerkung der SART-Redaktion:
Dieser Beitrag reflektiert die individuelle Einschätzung und den fachlichen Behandlungsansatz des Autors und stellt keine offizielle Position oder Empfehlung der SART dar
Nachdem eine vertrauensvolle Patienten-Therapeuten-Beziehung aufgebaut wurde und die Anamnese sowie der Befund abgeschlossen sind, steht der nächste entscheidende Schritt an: Die Aufklärung über den Befund und die gemeinsame Therapieplanung.
Das heisst, dem Patienten die Erkenntnisse verständlich erklären und gemeinsam mit ihm den besten Behandlungsweg zu erarbeiten. [1]
Wichtigkeit der therapeutischen Allianz
Ängste nehmen, Vertrauen aufbauen
Viele Patienten kommen mit der unausgesprochenen Sorge zu uns: "Ist es etwas Ernstes?" Ein einfacher Satz kann hier Wunder wirken: "Anhand der Tests, die ich durchgeführt habe, gehe ich nicht davon aus, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt. Du hast Schmerzen, und das ist belastend, aber es geht nichts kaputt."
Diese Worte können für den Patienten unglaublich erleichternd wirken und eine positive Grundlage für die weitere Behandlung schaffen. Es gilt wie Poulter et al. sagen: "Akzentuiere das Positive, eliminiere das Negative und halte dich an das Bejahende." [2]
Erklärung der Symptome: Eine Herausforderung
Als Nächstes wollen Patienten verstehen, woher ihre Beschwerden kommen. Dies kann besonders bei komplexen Schmerzgeschehen auf Grund der multifaktoriellen Natur eine Herausforderung sein. Hier hilft eine individualisierte Erklärung, die den Kontext und das Verständnis des Patienten berücksichtigt.
Falls eine biomechanische Erklärung notwendig ist, können anatomische oder mechanische Ursachen aufgezeigt werden. Betrifft es biopsychosoziale Perspektiven, sollten Faktoren wie Stress, Schlaf, Bewegung, emotionale Belastungen usw. in die Erklärung einbezogen werden. Metaphern und Vergleiche können helfen, komplizierte Zusammenhänge greifbar zu machen. Zum Beispiel: "Stellen dir deinen Körper wie eine gut eingespielte Fussballmannschaft vor. Momentan stimmt das Zusammenspiel von Angriff und Verteidigung nicht ganz - das verursacht deine Schmerzen. Unsere Aufgabe ist es, alle Spieler wieder harmonisch zu einer Mannschaft zu formen."
Die Prognose: Realistische Erwartungen setzen
Patienten möchten zudem wissen, wie es weitergeht. Eine ehrliche, aber hoffnungsvolle Prognose ist hier der Schlüssel. Dabei kann die Fachexpertise der Therapeutin miteinbezogen werden: "Viele Menschen mit ähnlichen Beschwerden erleben innerhalb der nächsten 6-8 Wochen eine deutliche Besserung. Es kann Höhen und Tiefen geben, aber insgesamt sollten wir eine positive Entwicklung beobachten."
Therapieziele festlegen: Den Weg zur Besserung planen
Klare Therapieziel zu setzen und die Entwicklung mittels regelmässigen Fortschrittskontrollen zu messen sind elementar, um die Therapie bei Bedarf schnellstmöglich anpassen zu können. Was wollen wir gemeinsam erreichen? Diese Ziele können kurzfristig sein, etwa die Schmerzreduktion während einer einzelnen Therapieeinheit, oder langfristig, wie die Rückkehr zum Sport nach einer VKB-Operation. Dieses Vorgehen wird von den Patienten geschätzt. [3]
Mit der Zielsetzung sind wir bei der Frage, wie erreichen wir zusammen das Ziel, angelangt - sprich der Therapieplanung.
Therapieoptionen und gemeinsame Entscheidungsfindung
Nun kommen wir zu einem kritischen Punkt: der Vorstellung verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. Patienten wünschen sich zunehmend eine aktive Rolle in ihrer Therapiegestaltung (shared decision making). Das bedeutet, dass verschiedene Therapieoptionen (konservativ, operativ, medikamentös, ergänzende Faktoren) erklärt werden sollen. Hier ist Professionalität gefragt. Auch wenn wir persönliche Präferenzen haben, ist es unsere Aufgabe, dem Patienten ein umfassendes Bild zu vermitteln. "Es gibt verschiedene Optionen, die wir haben. Lass uns die Optionen durchgehen und schauen, was am besten zu dir und deiner Situation passt." Dabei sollten stets wissenschaftliche Erkenntnisse und somit die Bewertung von Wahrscheinlichkeiten mit einbezogen werden. Eine effektive Methode kann die aktive Therapie sein – und das aus guten Gründen (siehe unten).
Die Sicht des Patienten, welche es in die Entscheidungsfindung einzubeziehen gilt, kann einen teilweise überraschen. Deswegen sollte stehts danach gefragt werden: "Was glaubst du hilft dir am meisten? Wo siehst du für dich die größten Chancen?" Diese Fragen fördern nicht nur die Adhärenz, sondern stärken auch das Vertrauen und die Motivation des Patienten. Gemeinsam wird dann ein konkreter Plan erarbeiten. "Basierend auf unserer Diskussion schlage ich vor, dass wir mit aktiver Therapie beginnen und nach zwei Wochen die Fortschritte evaluieren. Wie klingt das für dich?"
Die gemeinsame Planung verbessert dabei die Patientenbeteiligung und führt so zu besseren Ergebnissen. [4]
Es kann jedoch auch dazu kommen, dass die Vorstellung des Patienten und des Therapeuten komplett konträr ist – oftmals werden dann passive Therapieformen wie Massage vom Patienten bevorzugt. Hierbei sollten die Gründe für eine andere Therapieform von seitens des Therapeuten gut dargelegt werden. Eine Möglichkeit, ist das solch eine Therapieform einen kleinen Teil der Behandlung einnimmt, der zunehmend reduziert wird. Sollten sich beide Seiten jedoch nicht kompromissbereit zeigen, muss man sich die Frage stellen, ob eine Weiterführung der Therapie unter diesen Bedingungen sinnvoll ist oder ob beiden Seiten gedient ist, wenn man getrennte Wege geht.
Warum aktive Therapie ein Teil der Therapie sein sollte
Die SART hat sich nicht ohne Grund die aktive Rehabilitation auf die Fahne geschrieben. Aktive Therapie und Training sind eine wahre Polypille.[5] Jeder weiss, dass sie die Kraft [6] [7] steigern und dadurch das Bindegewebe, einschliesslich des Knochenwachstums [8], fördern sowie Körperfett reduziert [9]. Doch ihre Vorteile gehen weit darüber hinaus: Aktive Bewegung reduziert Schmerzen [10], unterstützt Heilungsprozesse [11] und hat positive Effekte auf psychologische Erkrankungen [12]. Zudem senkt sie das Risiko, an verschiedenen Krankheiten zu erkranken [13] [14] , verlangsamt das Altern [15] und kann flexibel in nahezu jeder Umgebung durchgeführt werden. Ein entscheidender Vorteil ist auch, dass Patienten dadurch weniger abhängig von Gesundheitsfachleuten werden und mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen können. Das heisst: die so wichtige Selbstwirksamkeit wird gesteigert. [16] Diese umfassenden positiven Effekte machen aktive Therapie zu einem unverzichtbaren Bestandteil einer erfolgreichen Behandlung.
Fazit: Der Patient im Mittelpunkt
Indem wir den Patienten in jeder Phase – von der Beruhigung über die Erklärung bis hin zur Entscheidungsfindung – einbeziehen, schaffen wir die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Wir zeigen damit nicht nur unsere fachliche Kompetenz, sondern auch unseren Respekt für die Autonomie und das Wissen des Patienten über seinen eigenen Körper. Diese patientenzentrierte Herangehensweise mag zunächst mehr Zeit in Anspruch nehmen, zahlt sich aber langfristig durch bessere Therapieergebnisse und zufriedenere Patienten aus. Letztendlich geht es darum, gemeinsam den besten Weg zur Genesung zu finden – eine Partnerschaft, die auf Vertrauen, Verständnis und gegenseitigem Respekt basiert.
Im nächsten Blog erläutern wir die 5 CoreKnowledge Grundsätze, die es dir ermöglichen aktive Therapie adäquate zu planen und durchzuführen.
[1] Harvey, D., White, S., Reid, D. & Cook, C. (2025) 'Patient perspectives of process variables in musculoskeletal care pathways', Musculoskeletal Science and Practice, 76, p. 103287. Available at: https://doi.org/10.1016/j.msksp.2025.103287.
[2] Teo, J.L., Zheng, Z. & Bird, S.R. (2022) 'Identifying the factors affecting "patient engagement" in exercise rehabilitation', BMC Sports Science, Medicine and Rehabilitation, 14, p. 18. Available at: https://doi.org/10.1186/s13102-022-00407-3.
[3] Pareja-Galeano H, Garatachea N, Lucia A. Exercise as a Polypill for Chronic Diseases. Prog Mol Biol Transl Sci. 2015;135:497-526. doi: 10.1016/bs.pmbts.2015.07.019. Epub 2015 Aug 14. PMID: 26477928.
[4] Carvalho, L., Junior, R.M., Barreira, J., Schoenfeld, B.J., Orazem, J. & Barroso, R. (2022) 'Muscle hypertrophy and strength gains after resistance training with different volume-matched loads: a systematic review and meta-analysis', Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism, 47(4), pp. 357–368. Available at: https://doi.org/10.1139/apnm-2021-0515.
[5] Campbell, W.W., Crim, M.C., Young, V.R. & Evans, W.J. (1994) 'Increased energy requirements and changes in body composition with resistance training in older adults', American Journal of Clinical Nutrition, 60, pp. 167–175.
[6] Watson, S.L., Weeks, B.K., Weis, L.J., Harding, A.T., Horan, S.A. & Beck, B.R. (2018) 'High-Intensity Resistance and Impact Training Improves Bone Mineral Density and Physical Function in Postmenopausal Women With Osteopenia and Osteoporosis: The LIFTMOR Randomized Controlled Trial', Journal of Bone and Mineral Research, 33(2), pp. 211–220. Available at: https://doi.org/10.1002/jbmr.3284.
[7] Strasser, B. & Schobersberger, W. (2011) 'Evidence of resistance training as a treatment therapy in obesity', Journal of Obesity, 2011, p. 482564.
[8] Naugle, K.M., Fillingim, R.B. & Riley, J.L. (2012) 'A meta-analytic review of the hypoalgesic effects of exercise', Journal of Pain, 13(12), pp. 1139–1150. Available at: https://doi.org/10.1016/j.jpain.2012.09.006.
[9] Khan, K.M. & Scott, A. (2009) 'Mechanotherapy: how physical therapists' prescription of exercise promotes tissue repair', British Journal of Sports Medicine, 43(4), pp. 247–252. Available at: https://doi.org/10.1136/bjsm.2008.054239.
[10] O’Connor, P.J., Herring, M.P. & Caravalho, A. (2010) 'Mental health benefits of strength training in adults', American Journal of Lifestyle Medicine, 4, pp. 377–396.
[11] Braith, R.W. & Stewart, K.J. (2006) 'Resistance exercise training: its role in the prevention of cardiovascular disease', Circulation, 113, pp. 2642–2650.
[12] Strasser, B., Siebert, U. & Schobersberger, W. (2010) 'Resistance training in the treatment of metabolic syndrome', Sports Medicine, 40, pp. 397–415.
[13] Melov, S., Tarnopolsky, M., Beckman, K., et al. (2007) 'Resistance exercise reverses aging in human skeletal muscle', PLoS One, 2, p. e465.
[14] Degerstedt, Å., Alinaghizadeh, H., Thorstensson, C.A. & Olsson, C.B. (2020) 'High self-efficacy – a predictor of reduced pain and higher levels of physical activity among patients with osteoarthritis: an observational study', BMC Musculoskeletal Disorders, 21, p. 380. Available at: https://doi.org/10.1186/s12891-020-03407-x.
enovis lädt Sie herzlich ein, die Traktionsliege und den Hochenergielaser (40 Watt) persönlich auszuprobieren!
Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, die Geräte selbst auszuprobieren. Dr. Pourtehrani wird Ihnen seine Erfahrungen und Anwendungstechniken erläutern und am Ende der Veranstaltung über das Tarmed-System sowie die verschiedenen Möglichkeiten zur Abrechnung informieren.
Sie haben die Möglichkeit das LightForce Hochenergielaser 40 Watt 2 Wochen kostenlos zu testen!
Wann:
Samstag, den 05. Juli 2025
Samstag, den 13. September 2025
jeweils von 09:00 bis 12:00 Uhr
Wo:
Praxis für interventionelle Schmerztherapie, Martin Disteli-Strasse 4, 4600 Olten.
Die Praxis ist optimal gelegen und nur einen kurzen Fußweg vom Bahnhof Olten entfernt, was den Besuch für unsere Teilnehmer äußerst unkompliziert macht und wenn Sie mit dem Auto anreisen können Sie in das Parkhaus Neuhard parkieren. Ist nicht weit entfernt von der Praxis.
Melden Sie sich per E-Mail an: Aurora De Filippo, Sales Manager Medical Deutsch-Schweiz, aurora.defilippo@enovis.com
Die Teilnahme ist kostenlos!
enovis freut sich auf Ihr Kommen und einen spannenden Austausch!
Das 21. SSMT-Symposium zum Thema «Konservative Orthopädie: Praxis und Wissenschaft - Schultergürtel 360» findet am Mittwoch, 22. Oktober 2025 im im „TEC - Haus der Wirtschaft“ in Pratteln (https://hdw.ch) statt.
Reservieren Sie sich heute schon das Datum; Es erwartet Sie ein interessantes Programm!
Renommierte Referierende beleuchten die Thematik am Vormittag aus verschiedenen Blickwinkeln und am Nachmittag können je zwei spannende Workshops besucht werden. Auf vielfachen Wunsch haben wir die Dauer der Workshops auf je 75 Min verlängert.
Im Rahmen des Symposiums besteht wiederum die Möglichkeit, die Spiele der Swiss Indoors Basel für Dienstag, 21. Oktober und Mittwoch, 22. Oktober 2025 auf exklusiven Premiumcard-Plätzen zu einem Vorzugspreis (CHF 139.- anstatt CHF 229.-) zu besuchen.
Man kann auch dieses Jahr Platzkarten für Begleitpersonen (CHF 179.-) erwerben. S’het solang’s het!
Punkto Workshops melden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt.
Bei allfälligen Fragen stehen wir gerne zur Verfügung und freuen uns heute schon auf das Wiedersehen und Kennenlernen.
Mit sportlichen Grüssen
Im Namen des OK des SSMT Symposiums
Andrea Theunert
Sie können sich ab sofort für das Symposium anmelden und Tennistickets bestellen:
Thema
"Empathie und Vertrauen: Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie"
In unserem Alltag sind es oft gute Freunde, die uns wirklich verstehen. Sie wissen, was uns antreibt, was uns Sorgen bereitet, und wie wir wirklich ticken.
Als Therapeuten können wir uns fragen: Wie viel besser könnten wir unsere Patienten unterstützen, wenn wir sie ebenso gut verstehen würden? Natürlich geht es nicht darum, mit jedem Patienten eine persönliche Freundschaft aufzubauen – das wäre weder realistisch noch professionell. Vielmehr bedeutet es, echtes Interesse für den Menschen hinter den Symptomen zu zeigen. Dieses Interesse schafft die Grundlage für eine vertrauensvolle, respektvolle und wirksame therapeutische Beziehung. So trägt eine starke Patienten-Therapeut-Beziehung nachweislich zu einer höheren Return-to-Sport-Rate bei.
Freut Euch nun auf unseren aktuellen Blog!
Anmerkung der SART-Redaktion:
Dieser Beitrag reflektiert die individuelle Einschätzung und den fachlichen Behandlungsansatz des Autors und stellt keine offizielle Position oder Empfehlung der SART dar
In unserem Alltag sind es oft gute Freunde, die uns wirklich verstehen. Sie wissen, was uns antreibt, was uns Sorgen bereitet, und wie wir wirklich ticken.
Als Therapeuten können wir uns fragen: Wie viel besser könnten wir unsere Patienten unterstützen, wenn wir sie ebenso gut verstehen würden? Natürlich geht es nicht darum, mit jedem Patienten eine persönliche Freundschaft aufzubauen – das wäre weder realistisch noch professionell. Vielmehr bedeutet es, echtes Interesse für den Menschen hinter den Symptomen zu zeigen. Dieses Interesse schafft die Grundlage für eine vertrauensvolle, respektvolle und wirksame therapeutische Beziehung. So trägt eine starke Patienten-Therapeut-Beziehung nachweislich zu einer höheren Return-to-Sport-Rate bei.[1]
Der erste Eindruck zählt
Wie gewinnt man einen Freund? Der erste Eindruck ist entscheidend und es gibt bekannterweise keine zweite Chance dafür. Studien zeigen, dass bei einem ersten Treffen innerhalb von 1/10-Sekunde der erste Eindruck entsteht.[2] Dabei handelt es sich auch um nonverbale Gesten, wie Lächeln, Blickkontakt, aufrechte Haltung, welche auch im weiteren Verlauf bestehen bleiben sollten.
Ein herzliches Willkommen und eine kurze Vorstellung schaffen eine angenehme Atmosphäre und bilden die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Die Anamnese: Mehr als ein Interview
Als nächsten Schritt kommt es zur Anamnese, die weit mehr ist als nur das Abarbeiten eines Fragebogens – sie ist der Moment, in dem der Patient seine Geschichte erzählen darf. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, den Patienten dazu zu ermutigen, frei zu sprechen. Offene Fragen wie „Erzähl mir deine Geschichte.“ oder „Was bringt dich zu mir?“ geben dem Patienten diese Möglichkeit. Wir starten sozusagen mit einem „leeren Blatt Papier“ und der Patienten darf seine Sicht der Dinge unvoreingenommen schildern, ohne einen Fragekatalog abzuarbeiten.
Während des Gesprächs ist es essenziell, aufmerksam zuzuhören und den Patienten nicht zu unterbrechen. Untersuchungen zeigen, dass Patienten durchschnittlich nach 120 Sekunden ihr Anfangsstatement abschliessen, in dem bereits wertvolle Informationen enthalten sind.[3] Dem gegenüber steht die oft übliche Praxis, bereits nach etwa 23 Sekunden die erste Nachfrage zu stellen – eine Vorgehensweise, die wichtige Details und Nuancen übersehen kann.[4] Erst nachdem der Patient ausgesprochen hat, sollte der Therapeut mit Fragen beginnen. Dabei sollten diese offen formuliert sein, um möglichst viele Freiraum für den Patienten zu geben.
Eine wirkungsvolle Technik ist es, die Wörter und die Sprache des Patienten bewusst aufzugreifen. Das zeigt nicht nur, dass ihm wirklich zugehört wurde, sondern hilft auch, eine gemeinsame Sprache zu finden, die Vertrauen schafft.[5] Es kann hilfreich sein, die Geschichte des Patienten kurz zusammenzufassen und ihn zu bitten, Korrekturen vorzunehmen, falls etwas falsch verstanden wurde. Anschliessend kann der Therapeut erklären, dass er dies kurz notiert, bevor er sich dem Laptop zuwendet.
Diese Form des aktiven Zuhörens ist eine zentrale Methode, um eine kooperative und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die auch als therapeutische Allianz bezeichnet wird. Nonverbale Signale wie leichtes Nicken, zustimmende Laute oder ein mitfühlender Gesichtsausdruck verstärken diesen Effekt und tragen dazu bei, das Gespräch auf Augenhöhe zu führen. So wird die Anamnese zu einem Schlüssel für den Aufbau einer empathischen und effektiven Patienten-Therapeuten-Beziehung.
Wichtigkeit der therapeutischen Allianz
Studien haben gezeigt, dass eine starke therapeutische Beziehung mit besseren Behandlungsergebnissen einhergeht, wie z. B. einer verringerten Schmerzintensität und einer verbesserten Funktion bei Erkrankungen des Bewegungsapparates.[6] [7] Zudem ermutigt eine therapeutische Beziehung den Patienten aktiv am Rehabilitationsprozess teil zu nehmen.[8] [9] Das bringt uns auf einen weiteren Aspekt der die therapeutische Beziehung stärken kann: gemeinsame Entscheidungsfindung oder auch shared decision making genannt. Dabei handelt es sich um einen kollaborativen Prozess, bei dem der Patient mit uns Therapeuten zusammenarbeiten, um fundierte Entscheidungen über Behandlungspläne zu treffen. Diese aktive Beteiligung wünschen sich die Patienten deutlich häufiger, als das aktuell in der Praxis der Fall ist.[10] Und dass obwohl wir wissen, dass dadurch die Adhärenz gefördert wird, was wiederum einen positiven Einfluss auf das Therapieergebnis hat.[11]
Den Patienten verstehen
Wisse, was dein Patient glaubt, war eine Aussage, die wir im letzten Blog schon genannt haben. Dies kann auch in der Anamnese mit gezielten Fragen herausgefunden werden, um dann dem Patienten im weiteren Verlauf einen individuellen Therapieplan aufzuzeigen:
„Wenn du dein eigener Arzt wärst, was würdest du dir für eine Diagnose geben?“
„Was glaubst du, braucht es, damit es dir besser geht?“
„Welche Erwartungen hast du an die Therapie?“
Das sind Fragen, die innerhalb der Anamnese sehr sinnvoll sein können. Den sie geben wertvolle Einblicke in die Gedankenwelt des Patienten. Dabei geht es nicht darum, dass man im Anschluss genau das macht, was der Patient will, jedoch sollte man das auch nicht vernachlässigen, was wir in einem späteren Blog aufgreifen werden.
Auch Sorgen und Ängste sollten offen angesprochen werden:
Wenn wir diese Aspekte in der weiteren Behandlung integrieren, so ist die Gefahr geringer, dass wir dem Patienten Anweisungen geben, die für ihn nicht passend sind. Das wiederum wäre negativ für die therapeutische Beziehung.[12]
Innere Haltung: Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Ansatz
Dieses Vorgehen – von der Art der Fragen bis hin zu unserem Verhalten – spiegelt unsere innere Einstellung wider. Wie wir das Verhältnis zu unseren Patienten definieren, prägt die therapeutische Beziehung massgeblich. Sehen wir uns als allein-Wissenden oder als Begleiter und Unterstützer? Begenen wir auf Augenhöhe oder sind wir die Experten mit fachlichem Hintergrund? Diese Grundhaltung entscheidet darüber, wie wir den Patienten begegnen und welche Fragen wir stellen werden.
Die Beziehung zwischen Therapeut lebt dabei von Empathie, Interesse und gegenseitigem Verständnis. Wenn wir uns Zeit nehmen, zuzuhören und den Patienten wirklich kennenzulernen, legen wir den Grundstein für eine erfolgreiche Behandlung – und vielleicht sogar für eine Zusammenarbeit, die an eine gute Freundschaft erinnert.
[1] Moussa MK, Lefèvre N, Valentin E, et al (2024) Association of Patient-Surgeon and Patient–Physical Therapist Relationships With Return to Sports After ACL Reconstruction: The Untested Dimension in Outcome Assessments. Orthopaedic Journal of Sports Medicine 12:23259671241254749. https://doi.org/10.1177/23259671241254749
[2] Janine Willis, Alexander Todorov: First impressions: Making up your mind after 100 ms exposure to a face. In: Psychological Science. Band 17, Nr. 7, 2006, S. 592–598, doi:10.1111/j.1467-9280.2006.01750.x.
[3] Langewitz, W. „Spontaneous talking time at start of consultation in outpatient clinic: cohort study“. BMJ 325, Nr. 7366 (28. September 2002): 682–83. https://doi.org/10.1136/bmj.325.7366.682.
[4] Marvel, M. Kim, Ronald M. Epstein, Kristine Flowers, und Howard B. Beckman. „Soliciting the Patient’s Agenda: Have We Improved?“ JAMA 281, Nr. 3 (20. Januar 1999): 283. https://doi.org/10.1001/jama.281.3.283.
[5] Bohn, Stephanie. „NLP im Arzt-Patienten-Gespräch - Theorie, Praxis und Effekte“, 2004
[6] M, Holmes., Amanda, Scott., James, Camarinos., Lee, N., Marinko., Steven, M., George. (2022). 4. Working Alliance Inventory (WAI) and its relationship to patient-reported outcomes in painful musculoskeletal conditions. Disability and Rehabilitation, doi: 10.1080/09638288.2022.2060337
[7] Timothy, J., Flowers. (2022). 5. An exploration of clinical variables that enhance therapeutic alliance in patients seeking care for musculoskeletal pain: A mixed methods approach. Musculoskeletal Care, doi: 10.1002/msc.1615
[8] C, Fewins-Scales., Raymond, Chau. (2024). 2. Patients’ and physiotherapists’ perspectives of treatment outcomes and experiences in primary care episodes of low back pain. Physiotherapy, doi: 10.1016/j.physio.2024.04.093
[9] Monica, Unsgaard-Tøndel., Monica, Unsgaard-Tøndel., Sylvia, Söderström. (2021). 6. Therapeutic Alliance: Patients' Expectations Before and Experiences After Physical Therapy for Low Back Pain-A Qualitative Study With 6-Month Follow-Up.. Physical Therapy, doi: 10.1093/PTJ/PZAB187
10] Tatsuya, Ogawa., Shuhei, Fujimoto., Kyohei, Omon., Tomoya, Ishigaki., Shu, Morioka. (2023). 3. Shared decision-making in physiotherapy: a cross-sectional study of patient involvement factors and issues in Japan. BMC Medical Informatics and Decision Making, doi: 10.1186/s12911-023-02208-1
[11] Kevin, Bruce, Hall., J., Lewis., Aeb, Moore., Colette, Ridehalgh. (2022). 3. The experience of persons with rotator cuff related shoulder pain performing home exercises: A qualitative study. Physiotherapy, doi: 10.1016/j.physio.2021.12.225
[12] Pinto, R., Ferreira, M., Oliveira, V., Franco, M., Adams, R., Maher, C., & Ferrreira, P. (2012). Patientenzentrierte Kommunikation ist mit einer positiven therapeutischen Allianz verbunden: eine systematische Überprüfung. J der Phsyiotherapie, 58: 77-87. https://doi.org/10.1016/S1836-9553(12)70087-5.